Ist Europa alleine auf der Welt?
Als gebe es auf der Welt nichts außer Europa! So streiten wir uns über die Lasten- und Machtverteilung unter den Staaten des Kontinents, die richtigen Mittel zur Krisenbekämpfung und über den Weg, den die europäische Integration in Zukunft gehen soll. Manch einer, der sich an dieser sinnvollen und wichtigen Debatte beteiligt, vernachlässigt aber sträflich einen anscheinend banalen Aspekt: Wir sind nicht allein auf dieser Welt! Das Schicksal des Euro beeinflusst nicht nur das Schicksal Europas und seiner Mitgliedstaaten. Vielmehr ist über unzählige Kanäle die ganze Welt betroffen.
Allein schon die vielbeachteten asiatischen Börsen erinnern uns fast täglich daran, wie eng vernetzt die Welt nicht nur im Finanzsektor, sondern in immer stärkerem Maße auch in der Realwirtschaft ist. Welchen Platz nimmt unsere Währung nun in diesem Geflecht ein und welche Konsequenzen hat dieser Platz?
Der Euro spielt allein schon als Währung eines der größten Wirtschaftsräume der Welt eine bedeutende Rolle im globalen Güter- und Kapitalverkehr. Man kann dies auf der Makro-Ebene betrachten oder aber folgende konkrete Beispiele aus dem „Weltwirtschaftsleben“ anführen: Gerade mittelständische deutsche Unternehmen bestätigen immer wieder, welche Vorteile ihnen der Euro im weltweiten Handel bringt. So erfreut sich unsere Währung beispielsweise bei Unternehmen aus Fernost großer Beliebtheit. Sie können mit Partnern aus 17 europäischen Staaten Geschäfte in einer einzigen Währung abwickeln, anstatt mit 17 verschiedenen Währungen und damit 17 verschiedenen Wechselkursen und den entsprechenden Wechselkursrisiken umgehen zu müssen. Nebenbei reduziert sich auch ihre Abhängigkeit vom US-Dollar. Diese Beliebtheit fördert den Handel Europas in andere Kontinente und schafft Arbeitsplätze – gerade hierzulande im exportstarken Mittelstand.
Der Euro ist auch eine wichtige globale Reserve- und Ankerwährung. Ende 2010 belief sich sein Anteil an den weltweiten Währungsreserven auf über ein Viertel – mit steigender Tendenz. Eine Reihe von europäischen Ländern, die nicht Teil des Euroraumes sind, haben ihre Währungen dafür direkt an ihn gekoppelt. Darüberhinaus sind eine Vielzahl von Währungen auf der ganzen Welt indirekt an den Euro gebunden. So ist der Euro bei den Ziehungsrechten beim IWF – also bei der Inanspruchnahme von Krediten – mit über einem Drittel gewichtet. Aber auch bei der Definition eines Währungskorbes kommt ihm eine große Bedeutung zu, im Fall des russischen Rubels beispielsweise zu 45%.
Unsere Währung fördert also unseren Handel mit dem Rest der Welt und trägt somit zu Wachstum und Wohlstand in Europa bei, so wie sie für den Rest der Welt eine bedeutende Quelle der Stabilität ist. Umso wichtiger ist es nun, dass die europäischen Regierungen die von Deutschland und Frankreich auf den Weg gebrachte Reformagenda entschlossen umsetzen, damit der Euro auch in Zukunft die große internationale Rolle spielen kann, die er gegenwärtig einnimmt. Denn diese Rolle gründet auf dem weltweiten Vertrauen in den Euro, seinen Fortbestand und seine Stabilität.
Wir können zu diesem Vertrauen beitragen, indem wir den Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht leichtfertig ablehnen, ohne zu bedenken, welche Folgen dies für den Euro und mit ihm für die Weltwirtschaft haben würde. Nicht von ungefähr werden die Regierungen unserer Partnerländer nicht müde, Europa zu entschlossenem Handeln zu ermutigen. Sie wissen, welche verheerenden Konsequenzen ein Scheitern der europäischen Gemeinschaftswährung für sie und ihre Volkswirtschaften hätte. Und damit schließt sich der Kreis: Das exportabhängige Deutschland kann sich eine erneute Weltwirtschaftskrise am allerwenigsten leisten.
Björn Sänger MdB
Nein, Europa ist nicht alleine auf der Welt. Zum Glück! Deswegen werden die Machtspielchen der Politiker, die Europa in ein einziges Finanzamt zu verwandeln drohen, damit scheitern. Die Menschen sind mit ihrem Markt stark genug, sich dieser Anmaßung erfolgreich zu erwehren, und zwar friedlich. Deswegen ist es klug, diesen Weg der erfolglosen, Lebenszeit raubenden Rettungsmaßnahmen, die nur der Aufrechterhaltung der Krise dienen, baldmöglichst zu verlassen. Wer die Krise zu bekämpfen sucht, indem er die Fehler, die zu ihr führten, wiederholt, der handelt unklug. Deswegen sollte jeder, der dazu gefragt wurde, den ESM eindeutig ablehnen.
http://www.antibuerokratieteam.net/2011/12/09/frieden-vielfalt-und-verantwortung-oder-doppelplusgute-durchgriffsrechte/
Ich glaube hier geht es nicht um Finanzämter (die ich übrigens auch nicht so gerne mag) sondern darum, dass ein Scheitern des Euro nicht nur eine deutsche und europäische, sondern auch eine globale Katastrophe wäre. Diese Katastrophe gilt es nicht nur zu verhindern, sondern die Krise muss genutzt werden um längst überfällige Reformen –hin zur Stabilitätsunion- in die Wege zu leiten. Man wächst an Herausforderungen und die aktuelle Krise ist definitiv eine. Die Antwort darauf kann aber nicht sein die Flinte ins Korn zu werfen, sondern mit einem klaren Bekenntnis zur EU und dem Euro die Probleme anzugehen. Ich vermisse in der Debatte etwas liberalen Zukunftsoptimismus und konstruktive Lösungsansätze Herr Martin.
Konstruktive Lösungen, Herr S., finden die Menschen in ihrem Markt. Es ist nicht möglich, sie ihnen vorzuschreiben. Den Ruf nach „konstruktiven Lösungen“ an Kritiker kenne ich noch allzugut aus der DDR. Auch damals gab es Leute, die sich nicht vorstellen konnten, daß sich niemand für ihre politischen Wolkenkuckucksheime interessiert. Das Ende des Euros wäre alles andere als eine Katastrophe. Wo bleibt Ihr Optimismus? Welche Währung, welches Geld die Menschen benutzen, können sie selbst entscheiden. In jedem Fall kann die Politik keine Lösungen bieten, da sie noch nicht einmal die Probleme verstanden hat, die sie produziert, und die die Menschen zu lösen oder zu umgehen genötigt sind. Und selbstverständlich bin ich optimistisch, daß eine in alle Lebensbereiche ausgreifende bürokratische EU sich eines Tages überlebt haben wird. Noch nie in der Geschichte konnte sich eine imperiale Struktur, die vornehmlich auf Gewalt und Selbsteingebildetem beruht, dauerhaft selbst erhalten. Nichts hindert uns, anschließend erneut freien Handel und unbehinderten Warenverkehr in Europa und darüberhinaus zu befördern.
Machen wir uns nichts vor – das Ende des Euros bedeutet die Rückkehr zu nationalen Währungen, d.h. separate Währungen für kleine und kleinste Wirtschaftsräume. Im Zeitalter der Globalisierung und der Konkurrenz zu Volkswirtschaften wie der chinesischen ist das kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt und ein klarer Wettbewerbsnachteil. Die Stärke Europas kommt doch gerade durch den gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum und nicht durch einen Flickenteppich von kleinen und mittleren Wirtschaftsräumen. Der Euro ist historisch jung und die EU als System sui generis muss sich erst harmonisieren. Beim ersten Wiederstand wieder in die Ausgangslage zurückzukehren halte ich für falsch. Diese Krise bietet die Chance sich zu reformieren und zu einer echten Stabilitätsunion zu werden. Da bin ich optimistisch. Wollen Sie wirklich, dass sich die Menschen ihre eigenen Währungen suchen, die Diskussionskultur hier mit der DDR vergleichen und die EU als auf Gewalt beruhendes imperialistisches System bezeichnen? Ich hoffe nicht, denn das ist einfach nicht richtig. Ihre Argumentation klingt für mich sehr nach einer reinen marktradikalen Lehre – und reine Lehren haben noch nie funktioniert.
Wie kommen Sie darauf, Herr S., daß das Ende des Euros nationale Währungen bedeuten müßte, wie kommen Sie darauf, daß Währungen Wirtschaftsräume definieren, wie kommen Sie darauf, daß es ein starkes Europa nur mit einer zentralistischen Währung geben könnte? Europas Stärke war immer seine Vielfalt, jedes noch so gewaltige Unternehmen zur Einigung Europas unter einer Knute ist bisher – gottlob – gescheitert. Warum sollten wir annehmen, daß Wettbewerb mit chinesischen Unternehmungen nur in einem harmonisierten Europa möglich sei?
Ich fürchte, sie übertragen überkommene Vorstellungen von politischer Großmannssucht auf ökonomische Sachverhalte, ohne sich der grundsätzlichen Unterschiede von Ökonomie und Staatskunst bewußt zu sein. Politische Stabilität auf Kosten von Währungsstabilität (nichts anderes bedeutet ja die permanente „Rettung“ des Euros mit immer neuen Inflationsinstrumenten) ist für Menschen im Markt kein Ziel, sie ist allenfalls ein Hindernis für die von ihnen angestrebte Dynamik.
Es geht nicht um eine Rückkehr zu irgendeiner Ausgangslage, das ist ohnehin unmöglich. Wieso aber sollten Menschen sich nicht ihre eigenen Währungen suchen dürfen? Sollten sie auch das Einheitsauto, die Einheitswohnung und den Einheitsurlaub kaufen müssen?
Es gibt übrigens keine reine marktradikale Lehre, die irgendwie zu funktionieren hätte. Der menschliche Markt aber hat Bestand, jeden Tag und unter jeder Erschwernis. Anders hätten Menschen die Diktaturen der Geschichte nicht zu überdauern und zu überwinden gewusst. Es ist nur erstaunlich, daß es doch immer wieder Menschen gibt, die sich entgegen aller Erfahrungen vormachen, daß sie wüßten, wie andere zu leben hätten.