Staatliche Insolvenzordnung, Schuldenbremsen und Stabilitätsunion jetzt ermöglichen

Die Diskussionen über den richtigen Ausweg aus der europäischen Schuldenkrise verlaufen äußerst kontrovers – egal ob man in der Bevölkerung oder unserer Partei nach Meinungen fragt. Die letzten Wochen haben zudem gezeigt, dass sich auch Experten keineswegs einig sind: Während die Wirtschaftsweisen die Bundesregierung für ihr Verhalten in der aktuellen Krise loben und noch weitere Maßnahmen in diesem Kontext in Aussicht stellen, empfiehlt eine stattliche Anzahl anderer nicht minder angesehener Volkswirte den Kurs der Initiatoren des Mitgliederentscheids.

Auch in den anderen Parteien herrscht große Skepsis. Die Mitglieder haben das Bedürfnis mitzudiskutieren und drängende Fragen von ihren Mandatsträgern beantwortet zu bekommen. Dabei ist die FDP aber bisher die einzige Partei, in der den Mitgliedern überhaupt die Chance gegeben wird, den Kurs in dieser wichtigen Frage des Auswegs aus der Schuldenkrise auch direkt mitzubestimmen.

Der Hintergrund, vor dem wir uns nun entscheiden müssen, ist dramatisch und der Anlass des Mitgliederentscheids eher traurig: Wären die Maastricht-Kriterien niemals von SPD und Grünen aufgeweicht worden, hätten die Bekenntnisse des Stabilitäts- und Wachstumspaktes funktioniert und wir stünden heute nicht dort, wo wir sind. Das tiefe Hineinschlittern in die Schuldenkrise war keineswegs unausweichlich – die Weichen hätten bloß zur rechten Zeit auf Stabilität und Solidität statt auf Schulden und Verantwortungslosigkeit gestellt werden müssen. Doch die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Umso mehr muss für uns gelten:

Die Schuldenmacherei in den EU-Mitgliedsstaaten muss ein Ende haben.

Als konsequenten Weg dorthin erschien vielen JuLis ein einfaches „Nein“ zu allen Rettungsaktionen und ein daraufhin drohender wirtschaftlicher Zusammenbruch durch das Aus von Teilen des Banken- und Versicherungssektors ein zu hoher Preis für eine strikte Linie. Auf unserem letzten JuLi-Bundeskongress in Oldenburg haben wir deshalb lange und kontrovers diskutiert und am Ende umfassend zur Schuldenkrise Stellung genommen. Wir fordern vor allem eine Verschärfung der Regeln, die in Zukunft eine zu hohe Staatsverschuldung vermeiden sollen, um das Staatsschuldenproblem auch direkt an der Wurzel zu packen und nicht reine Symptombekämpfung zu betreiben.

So soll die EU etwa im Rahmen einer europäischen Finanzverfassung ein Durchgriffsrecht auf nationale Haushalte bekommen, wenn die Stabilitätskriterien in entsprechendem Maß verletzt sind. Dem Ministerrat sollen die Durchsetzungskompetenzen zugunsten der EU-Kommission entzogen werden. Damit wollen wir automatische, scharfe Sanktionen für Mitgliedsstaaten, die weiter Schuldenberge auftürmen, schaffen. Zudem setzen wir auf Schuldenbremsen in allen Mitgliedstaaten und auf eine echte Insolvenzordnung für Staaten, verbunden mit einer Austrittsoption aus dem Euro.

Nur: All dies werden wir aus meiner Sicht sicher nicht erreichen, wenn wir es nicht zur strikten Auflage für eine Zustimmung zum ESM machen, sondern einfach – wie es die Initiatoren des Mitgliederentscheids um Frank Schäffler wollen – „Nein“ sagen, ohne Antworten zu liefern und Überzeugungsarbeit zu leisten. Das spricht aus meiner Sicht klar für Antrag B.

Auch ich habe meine Bauchschmerzen mit Rettungsschirmen aller Art. Ein befristeter ESM aber ermöglicht aus meiner Sicht eine mittelfristige Stabilisierung der betroffenen Staaten, die Verhinderung von Domino-Effekten und eine Umschuldung unter Beteiligung privater Gläubiger. Dabei behält er das eigentliche Ziel einer Währungsunion, die aus sich selbst heraus stabil ist, im Auge. Anders als die Initiatoren des Mitgliederentscheids lehnen wir JuLis deshalb den ESM also nicht generell ab, sondern fordern ein befristetes Inkrafttreten, weil wir die Risiken von Fehlanreizen an den Märkten durchaus ernst nehmen. Als Teil einer Übergangslösung, bis die eigentlichen Probleme gelöst sind, halte ich ihn aber für notwendig.

Ein einfaches „Nein“ reicht nicht

Eine klare Position, ein laut ausgerufenes „Nein“ zum ESM, zum Euro und zu jeder weiteren europäischen Integration erscheint manchem Liberalen verlockend. Ich bin dennoch der festen Überzeugung, dass es der falsche Weg ist. Wie ich schon im Hamburger Abendblatt gesagt habe:  „Einfache (Schein-)Lösungen, garniert mit platter Polemik, sind in den seltensten Fällen richtig, wenn es darum geht, komplexe Herausforderungen zu meistern.“.

Vielmehr sollten wir anstelle einer Totalverweigerungshaltung nach Vorne schauen:  Die Integration Europas unter dem Dach unserer gemeinsamen Währung muss weiter fortsetzt werden. Der ESM ist  selbst als ausdrücklich befristetes Sicherheitsnetz zwar auch für mich schwer zu akzeptieren, aber er zeigt eine Route auf, um über verbindliche Schuldenbremsen in allen Ländern langfristig zu einem stabilen, friedlichen und starken Europa in einer globalen Welt zu gelangen.

Dafür kämpfen wir Junge Liberale mit Leidenschaft und deshalb setze ich mich persönlich – gerade nach den Debatten unseres JuLi-Bundeskongresses – für den Antrag des FDP-Bundesvorstands ein. Er ist sicher nicht perfekt. Verglichen mit den nicht vorhandenen Alternativen des Antrages der Initiatoren des Mitgliederentscheids ist er aber noch sicherer der weniger schlechte Weg.

Lasse Becker, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen

Comments
7 Responses to “Staatliche Insolvenzordnung, Schuldenbremsen und Stabilitätsunion jetzt ermöglichen”
  1. jotun sagt:

    „Dabei ist die FDP aber bisher die einzige Partei, in der den Mitgliedern überhaupt die Chance gegeben wird, den Kurs in dieser wichtigen Frage des Auswegs aus der Schuldenkrise auch direkt mitzubestimmen.“

    Wie großzügig von der Partei, dass sie den Mitgliedern diese Chance gewährt hat. Nein, lieber Lasse, die Partei gewährt den Mitgliedern überhaupt nichts, die Mitglieder sind die Partei und weil wir Liberale mündig sind, haben wir uns im Gegensatz zur Basis anderer Parteien gegen die Führung gestellt und uns dieses Mitspracherecht einfach genommen.

  2. jotun sagt:

    Wo betreibt Schäffler denn Totalverweigerungshaltung? Sind nicht sämtliche Rettungsaktionen der vergangenen 2 Jahre gescheitert, die Zinsen für Italien auf Rekordhoch und selbst das Platzieren von Bundesanleihen gestern nur teilweise möglich gewesen? Hat sich als Lösung für Griechenland nicht das als richtig herausgestellt, was Frank Schäffler vor einem Jahr nicht einmal aussprechen durfte, nämlich ein harter Schuldenschnitt und inzwischen wird überall auch schon die Wiedereinführung der Drachme diskutiert. Will die FDP die EZB unbegrenzt Geld drucken lassen? Selbst Deutschland hat nämlich nicht das notwendige Geld für die Euro-Rettung auf der hohen Kante und wird sich so ein Volumen auch nicht an den Finanzmärkten leihen können, wie sich ja am Mittwoch bei der gescheiterten Platzierung von Bundesleihen bereits andeutete. Das ist simple Arithmetik: Wollt ihr Draghi also „drrrucken, drrrucken, drrrucken“ lassen, wie Frank Schäffler es prophezeit? Ansonsten braucht ihr mit euren lächerlichen Rettungsschirmchen nämlich erst gar nicht antreten. Die beeindrucken an den Finanzmärkten nämlich niemand.
    Und was vom neuen Stabilitätspakt zu halten ist, sieht man ja in Deutschland, wo er bereits gebrochen wird und die FDP nicht gegenfinanzierte Steuersenkungen plant, was die unverdächtige Bundesbank im letzten Monatsbericht scharf kritisiert hat. Solche Liberale machen unser Land kaputt. Da helfen auch keine hohlen Phrasen und blumigen Worte.
    Unsere Spitzenvertreterin in Europa ist die faule Hochstaplerin Koch-Mehrin, der Spitzenvertreter in der Welt der inkompetenten, größenwahnsinnige Lautsprecher Westerwelle, der wohl immer noch meint, Gaddafi im Alleingang nur mit Handelssanktionen bezwungen zu haben. Die ganze spätrömisch-dekadente Möchtegernelite an der Parteispitze, das sich nur auf Steuerzahler ein schönes Leben macht, muss endlich weg und durch echte Liberale ersetzt werden.

    „Zu Antrag A sag ich darum Ja, zu Antrag B sag ich Nee!“

  3. Frank Martin sagt:

    Staatsinsolvenzen gibt es, solange es Staaten gibt, Schulden muß niemand machen und für Stabilität kann auch jeder, der das will, selbst sorgen. Man kann all dies aber nicht wirksam gegen jene beschließen, die es durchführen müßten. Der ESM ist genau jene einfache Scheinlösung, eine klare aber falsche Idee, die der Autor doch so verachtet. Und natürlich ist es klug, solchen Taschenspielertricks nicht auf den Leim zu gehen.

    Es ist naiv zu glauben, daß die Freunde der erzwungenen Einigkeit und Gleichförmigkeit, der gesetzesbewehrten Privilegierung von Staatsanleihen und der finanzpolitischen Trickserei gewillt und in der Lage sind, den Schaden, den sie angerichtet haben zu beheben, gar mit denselben Mitteln und Methoden.

    Freiheit bedeutet übrigens, ohne Konsequenzen für einen selbst „Nein“ sagen zu können. Daran sind alle Sätze mit „wir müssen“, „alle sollten“ und „jeder wird“ zu messen.

    Die Bürger Europas wurden von ihren politischen „Eliten“ bereits an die Wand gefahren, nun kommt es darauf an, ob man sie sich schütteln, ihre Wunden versorgen und wieder aufstehen läßt, oder sie zwingt, wegen eines amateurhaften Währungsexperiments, dessen Scheitern man nicht sehen will, langsam aber stetig zu verbluten.

  4. Julius sagt:

    @jotun
    Die knapp 4.000 Leute einfach für eine Position zu vereinnahmen, die sich „gegen die Führung stellt“, finde ich unter aller Kanone.
    Ja, all diese Leute wollten den Mitgliederentscheid herbeiführen – auch die JuLis wollten das – , aber es ist doch eine bodenlose Unterstellung, diese einfach mit auf seine Seite, d.h. gegen den Bundesvorstand und für Schäffler & Co. zu ziehen. Für die JuLis kann ich jedenfalls sagen, dass wir das nicht zugelassen hätten und noch immer scharf zurückweisen.
    Lasse wollte meines Erachtens seine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass es in der FDP (a) die satzungsmäßige Möglichkeit eines Mitgliederentscheids gibt und (b) dass sich dann auch noch so viele Mitglieder finden, die zu diesem hochkomplexen Thema einen Mitgliederentscheid wünschen.

  5. Frank Martin sagt:

    Was, @Julius, ist an dem Thema hochkomplex, gar so überkomplex, daß man sich seines eigenen Verstandes nicht bedienen zu können glaubt? „Wer bürgt, wird erwürgt“, weiß der Volksmund. Das ist sicher nicht zu einfach. In jedem Fall gibt der, der sein eigenes Vermögen auf das Spiel anderer setzt, seine Verfügungsgewalt darüber auf. Gibt es einen Notfall, indem man das unbedingt tun sollte? Vielleicht. Ich sehe aber keinen, zur Zeit, dem auf diese Weise abgeholfen werden könnte. Menschen handeln, jeder für sich. Das sollte man selbst von denen nicht anders annehmen, die die Beiträge anderer Menschen mit schönen Worten erbitten. Von jenen aber, die mit Konsequenzen drohen, wenn man ihnen nicht gibt, weiß man es.

  6. jotun sagt:

    @Julius: Die gut 3500 Mitunterzeichner haben nicht prinzipielle einen Mitgliederentscheid befürwortet, sondern konkret den Antrag von Schäffler als Mitinitiatoren eingebracht und unterstützt. Das steht so im Wortlaut des Unterstützungsformulares und auch in der Satzung. Offensichtlich unterstützen diese Leute nicht die Position der Parteispitze und wenn du behaupten würdes, dass beim Mitgliederentscheid, obwohl nun der konkrete Gegenantrag vorliegt, nicht noch wesentlich mehr als 4000 Mitglieder für Schäffler stimmen werden, machst du dich lächerlich. Diese Leute stellen sich ganz offensichtlich zumindest in dieser Sachfrage gegen die Parteispitze, da lehne ich mich wohl nicht zu weit aus dem Fenster.

  7. jotun sagt:

    Für die JuLis RLP kann ich übrigens ganz klar sagen, dass wir den ESM auf unserem letzten LaKo ganz klar abgelehnt haben und die widerlichen Attacken von Lasse Becker und seinen kuschelliberalen Schergen auf Rainer Brüderle, inzwischen unser bester Mann im Bund, nicht vergessen haben. Und wofür, dafür dass er bei der schwachsinnigen Energiewende Kante gezeigt hat!

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