Zwangs-Kapitalisierung nach Hau/Lucke ist kein Allheilmittel
Als Alternative zu dem Kurs der Bundesregierung wird verschiedentlich auch eine unmittelbare Rekapitalisierung (die Einzahlung von frischem Eigenkapital) der europäischen Banken vorgeschlagen, um sie für eine Staatspleite zu rüsten. Dabei wird insbesondere auf den Artikel von Prof. Harald Hau und Prof. Bernd Lucke „Die Alternative zum Rettungsschirm: Obligatorische Rekapitalisierung der Banken“ Bezug genommen. Diese Alternative ist erwägenswert und ist auch immer wieder erwogen worden. Käme es bei einer drohenden Staatspleite zu einer Kettenreaktion auf den Märkten, dann wäre dies vermutlich das letzte zur Verfügung stehende Mittel. Es ist deshalb elementar, dass die neu gestaltete EFSF und der künftige ESM auch die Möglichkeit haben, Banken in Krisenstaaten zu rekapitalisieren. Ohne dieses Instrument sind Insolvenzszenarien für Staaten im Euroraum nicht bewältigbar.
Ich glaube aber nicht, dass es richtig wäre, ausschließlich auf dieses Instrument zu setzen und es nur den jeweiligen Euro-Mitgliedstaaten selbst zu überlassen. Es ist nicht zu erwarten, dass jeder einzelne Mitgliedstaat in der Eurozone aus eigenen Mitteln in der Lage ist, sein Bankensystem gegen eine Staatsinsolvenz in der Eurozone abzusichern.
Der zweite Nachteil einer in nationaler Eigenverantwortung vorgenommenen Rekapitalisierung von Banken gegenüber der Lösung über die EFSF ist, dass in diesem Fall keine Sanierungsmaßnahmen in den jeweiligen Krisenländern mehr durchsetzbar wären. Vielmehr würden die Schuldnerstaaten dann die Höhe des Forderungsverzichts der Gläubiger selbst festlegen. Auch bei diesem Szenario kann also niemand den Bürgern sagen, wie viel Geld sie am Ende aufbringen müssen und ob uns das Ganze nicht irgendwann selbst überfordert.
Drittens wäre meiner Erwartung nach die Lösung über eine nationale Rekapitalisierung von Banken auch die teurere Variante. Die Lösung über die Eurorettungsschirme ist auf die vollständige Rückzahlung sämtlicher Schulden durch die jeweiligen Programmländer ausgelegt. Dabei werden wir weiterhin auf eine Beteiligung der privaten Gläubiger setzen. Außerdem erlauben uns die Instrumente der Rettungsfonds auch eine zeitliche Streckung der Verluste der Gläubiger, sodass eine Panik im Finanzsektor und der vollständige Verzehr des Eigenkapitals der Banken vermieden wird. Demgegenüber müsste der Staat im Falle eines sofortigen Zusammenbruchs mehrerer Euroländer binnen weniger Tage unvorstellbare Summen für den Bankensektor aufbringen.
Dieser Aufwand kann heute kaum seriös beziffert werden. Um eine Vorstellung der Kosten zu bekommen, genügt aber ein Blick auf die bisherigen Erfahrungen dieser Krise: Die staatliche Bankenrekapitalisierung nach der Lehman-Pleite erforderte in Deutschland über 50 Milliarden Euro (im Tausch gegen Eigentumsrechte des Staates an den Banken), die zusätzlich erforderliche Garantiesumme betrug in der Spitze fast 300 Milliarden Euro (keine Ausfälle). Diese 50 Mrd. € haben nur ausgereicht, weil es weltweit gelungen ist, das Bankensystem mittels staatlicher Hilfen zu stabilisieren und weil gerade in Deutschland die Wirtschaft erstaunlich schnell wieder auf die Beine gekommen ist. Selbst mit den Konjunkturprogrammen von Bund und Ländern von ca. 90 Milliarden Euro ließ sich die schwerste Rezession seit 1949 nicht vermeiden.
Die gesamten volkswirtschaftlichen Krisenkosten wären im Falle einer unkontrollierten Staatspleite in Europa heute deutlich höher, weil die Staaten nicht mehr im gleichen Maße die Mittel haben, auf dem Finanzmarkt zu intervenieren. Ich würde für den Fall einer dann notwendigen Rekapitalisierung von Banken in Deutschland deshalb einen weit höheren Betrag ansetzen als nach 2008. Die Folgen für die deutsche Realwirtschaft im Falle eines Zusammenbruchs der Eurozone sind kaum auszumalen.
Florian Toncar MdB
Für mich eine schwache Argumentation – aber immerhin eine Argumentation.
Argument 1: Dass die einzelnen Staaten möglicherweise überfordert sein könnten ist denkbar – aber kein Unterschied zur Rettungsschirm-Lösung. Denn auch die EFSF und der ESM müssen ja mit Unsummen bedient werden, und wenn Länder das nicht mehr können, bleibt alles an Deutschland hängen. Der Vorteil einer gezielten rekapitalisierung wäre aber, dass man sich genau ansehen kann, welche Banken das überhaupt brauchen, das sind nämlich längst nicht alle.
Argument 2: Dass dann keine Zwangsmaßnahmen mehr zur Sanierung der überschuldeten Staaten mehr durchsetzbar wären, ist völlig unlogisch. Denn das wäre eine politische Frage, die im Rahmen der EU-Verträge entsprechend zu regeln wäre. Sie hat gar nichts damit zu tun, was finanziell nötig ist, um Banken abzusichern. Für die Nicht-Einhaltung von (schärferen) Stabilitätskriterien gibt es ja schon jetzt Sanktionsmöglichkeiten und die könnten erweitert werden, dafür ist kein ESM und keine EFSF nötig! Abgesehen davon läge es deutlich mehr im Eigeninteresse der betroffenen Staaten, zu sanieren, wenn SIE SELBST ihre Banken teuer retten müssen, und dies nicht mit dem Geld ANDERER tun können. Und schliesslich sehen wir ja an dem Manöver in Griechenland, dass wir letztendlich gar nichts tun können, wenn Staaten sich nicht an die Vereinbarungen halten: Wir werden ohnehin mit herein gezogen, können aber am Ende keinen Staat zu etwas zwingen.
Argument 3: Dass es ohne ESM und EFSF teurer würde, ist zunächst mal nur eine Annahme – Toncar sagt ja selbst, dass das heute kaum zu beziffern wäre. Wie kann er dann behaupten, ESM und EFSF würden am Ende billiger? Lucke und Hau setzen ja Zahlen und Berechnungen dagegen, die was anderes annehmen lassen. Außerdem ist die Annahme, es würde billiger, auf Sand gebaut. Denn sie setzt zwingend voraus, dass die STaaten solange durchhalten, bis sie ihre Schulden bezahlt haben. Bei Griechenland ist schon JETZT klar, dass das unmöglich ist, sonst gäbe es ja keine Gläubigerbeteiligung! Und sollte Italien in dieselbe Lage kommen, reichen EFSF und ESM zusammen nicht aus. Der Schaden wird so oder so eintreten. Und je länger das dauert, desto teurer wird es. Und ob die dann fälligen Garantien für ALLE Staatsschulden wirklich billiger wären, als die einzelne Rekapitalisierung nur der Banken, die man nicht pleite gehen lassen KANN und die nicht genug Eigenkapital HABEN, das darf doch bezweifelt werden.
Schlussendlich bekäme der Staat für eine richtige Rekapitalisierung der Banken auch einen Gegenwert, nämlich Anteile. Er würde also das zunächst in die Rekapitalisierung gesteckte Geld auch wieder zurück bekommen bei Verkauf dieser Anteile in ruhigeren Zeiten. Diese Schulden sind also nicht mal zwingend Schulden, sondern Investitionen, die letztlich dem Staat zugute kommen. Bei der Stützung durch Rettungsfonds werden einzig und allein die Gläubiger bedient, also die Banken. Der Steuerzahler hat die Kosten, die Gläubiger sind fein raus.
Alles in allem für mich keine überzeugende Gegenargumentation.
Noch ein Plädoyer für die irreführend ‚Stabilität‘ genannte Aufschieberitis der politischen Klasse. Wer hätte das gedacht?
„Inflation aber kann nur solange fortgehen, als die Meinung besteht, daß sie doch in absehbarer Zeit aufhören wird. Hat sich einmal die Überzeugung festgesetzt, daß die Inflation nicht mehr zum Stillstand kommen wird, dann bricht eine Panik aus.“ Ludwig von Mises, 1931
Und diese Meinung soll mit Durchhalteparolen, immer neuen Wunderwaffen und politischen Schattenspielen aus gedachtem Geld à la ESM noch lange aufrechterhalten werden? Warum, wozu? Da verlieren sich Liberale im Bundestag zu Dutzenden in den politisch-ökonomischen Sandkastenspielen ihrer politischen Gegner und glauben tatsächlich daran, deren Sandkasten mit ein paar gelben Schleifchen versehen auf die reale Welt übertragen zu können?
Die erste der Altparteien, die die Förmchen wegwirft und die rieselnde Retterburg verläßt, wird sich vor berechtigter Zustimmung nicht wiederfinden. Vielleicht geht es der FDP ja nur noch um den richtigen Zeitpunkt? Diesbezüglich kann ich sie beruhigen: jeder Ausstieg kommt nun zu spät, schlimmer ist nur, ihn gänzlich zu verpassen.